MEDIATION IN DER IMMOBILIENBRANCHE
Mediation - was ist das?
Wer kennt sie nicht, die zerstrittene
Erbengemeinschaft, das Ehepaar vor der Scheidung,
das um die gemeinsame Immobilie kämpft,
unzufriedene Kunden oder Probleme unter
Mitarbeitern? In diesen Fällen kann Mediation
dabei helfen, gemeinsam zu einer guten Lösung
zu kommen. Mediation ist laut Duden eine
"Technik zur Bewältigung von Konflikten durch
unparteiische Beratung" und "Vermittlung zwischen den
Interessen verschiedener Personen".
Sie ist ein vertrauliches, freiwilliges und
konsensorientiertes Verfahren nach einem
vorgegebenen Muster. Durchgeführt wird eine
professionelle Mediation von einem ausgebildeten
Mediatior, der die Interessen aller Konfliktparteien
gleichermaßen wahrt. Das Ziel ist eine Lösung, mit
der alle zufrieden sind - also ein Konsens. Seit dem
26.07.2012 ist in Deutschland das Mediationsgesetz
in Kraft. Es fördert die außergerichtliche Beilegung
von Konflikten und soll die Gerichte entlasten.
Darüber hinaus ist das Ergebnis eines
Mediationsverfahrens vollstreckbar.
Die Beteiligten eines Mediationsverfahrens haben
folglich die Möglichkeit, einen Gerichtsvollzieher mit
der Umsetzung der vereinbarten Leistung
zu beauftragen. Doch auch unabhängig davon
spricht Vieles für eine Mediation: Sie spart Kosten
und Zeit und schont die Nerven sowie die Reputation.
Werde ich über den Tisch gezogen?
Der Umgang mit Konflikten gehört für Immobilien-
Sachverständige leider zum Alltag: da gibt es die
Geschwister, die nach dem Erbe über den
Wert der Immobilie streiten. Oder den Ehepartner,
der sich nach der Trennung finanziell benachteiligt
fühlt. Ein Konflikt lässt sich als Unvereinbarkeit
im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen, Fühlen, Wollen
oder Handeln von zwei oder mehr Parteien
definieren. Diese Unvereinbarkeit hindert die
Konfliktparteien daran, ihre eigenen Ziele zu
erreichen oder ihre Interessen zu wahren. Im
Umgang mit Konflikten spielen Ängste eine große
Rolle - beispielsweise die Angst vor Macht-
und Kontrollverlust, vor Aufdeckung und Entlarvung
oder vor einem Imageverlust. Kurz gesagt: die Angst
davor, "über den Tisch gezogen zu werden".
Was ist ein Mediator?
Der Begriff Mediator ist - wie auch der Begriff
des Sachverständigen - nicht rechtlich geschützt.
Allerdings legt das Mediationsgesetz fest,
welche Voraussetzungen notwendig sind, um sich
"zertifizierter Mediator" nennen zu dürfen. Hierzu
gehören zum Beispiel bestimmte Inhalte und die
Dauer der Ausbildung. Die Hauptaufgabe des Mediators
sind laut Mediationsgesetz: Organisation der Beteiligung
aller Konfliktparteien Verantwortung für den Ablauf
des Verfahrens - jedoch nicht für dessen Erfolg!
Allparteiliche Vermittlung aus seiner externen Position
heraus. Unterstützung einer freiwilligen und
eigenverantwortlichen Konfliktlösung. Finden von Win-
Win-Situationen. Sicherstellung der Freiwilligkeit.
Schaffung einer vertraulichen, angstfreien und
ergebnisoffenen Atmosphäre unter den Medianten.
Im täglichen Leben sind alle Menschen hin und
wieder Streitschlichter. Die Kollegen arbeiten
gegeneinander statt miteinander, die Kinder streiten
sich, bei Freunden hängt der Haussegen schief: Ob
im Büro, bei Konflikten mit oder zwischen
Mitarbeitern oder zuhause - wir wissen als
neutraler Dritter oft intuitiv, wie Streitschlichtung
funktioniert. Das Ziel eines professionellen
Mediators ist es, durch gezielte Frage- und
Gesprächstechniken die Konfliktparteien anzuregen,
ihre Konflikte eigenverantwortlich zu lösen. Auf diese
Weise entsteht eine bessere Akzeptanz der Lösung
auf beiden Seiten. Hierfür müssen die Beteiligten
aber sowohl ihre bewussten als auch ihre
unbewussten Konflikte kennen. Der große Rest ist meist
verborgen. Durch spezielle Fragetechniken,
Umformulierungen und weiteres Handwerkszeug
aus dem Methodenkoffer bringt der Mediator den
gesamten Konflikt an die Oberfläche.
Oft fallen in dieser Phase Sätze wie "So habe ich
das noch gar nicht betrachtet." Oder "Ich wusste
gar nicht, dass Dich diese kleine Sache so
belastet." Sind die Themen "auf dem Tisch", leitet
der Mediator den Perspektivwechsel ein. Hierbei
richtet er die Perspektiven der Medianten neu aus:
vom Blick in die eigene Richtung in eine
gemeinsame Richtung. Dazu ein Beispiel aus der
Mediatorenausbildung: Zwei Schwestern streiten
sich um die letzte Orange. Die Mutter kommt,
schneidet diese in der Mitte durch und gibt
beiden Schwestern je eine Hälfte. Beide Schwestern
sind damit ebenfalls nicht einverstanden. Nun
fragt die Mutter, was die Töchter denn mit der
Orange vorhätten. Da antwortet die eine, sie wolle
einen Orangensaft trinken. Die andere sagt,
sie benötige Schalenabrieb für einen Kuchen.
Wenn nun die eine die Schale nutzt, nachdem die
andere sich ihren Saft gepresst hat, wird aus
dem schlechten Kompromiss ein Konsens.
Der Sachverständige als Mediator
Mediatoren haben im Sachverständigenbereich ein
breites Einsatzfeld. Dazu gehören sowohl emotionale
Konflikte als auch juristisch schwierige Situationen,
in denen die Medianten freiwillig nach einer
Lösung suchen oder präventiv Ziele vereinbaren
wollen. Konflikte im Unternehmen Das betriebliche
Konfliktmanagement betrifft häufig den Umgang
mit unzufriedenen Kunden. Der Konflikt besteht
dann meist in der Differenz zwischen Realität
und Erwartetem - zum Bespiel wenn ein
Bauschaden nicht so intensiv untersucht und
wertmindernd beurteilt wurde wie erhofft.
Berufliche Konflikte in der Immobilienbewertung können
auf
(vermeintlichen) Fehlern im Gutachten
unzutreffenden Annahmen
missverstandener Kommunikation
oder auf vielen anderen Aspekten beruhen.
Die Mediation arbeitet dann darauf hin, dass
alle Beteiligten mit einer reputationswahrenden
Lösung auseinandergehen und der
Sachverständige einen zufriedenen Kunden behält. Ein
Beispiel: Im Rahmen einer Gesellschaftsliquidation
wird ein Gutachten über den Marktwert eines
Bürogebäudes erstellt. Ein Gesellschafter ist
damit nicht einverstanden, weil seiner Ansicht nach
der Ausbau des Dachgeschosses nicht hinreichend
berücksichtigt wurde. Nach seinen Berechnungen
sei ein 100.000 Euro höherer Marktwert
gerechtfertigt. Dieser Einwand wird durch den
Sachverständigen geprüft und zurückgewiesen. Bei
einem gemeinsamen Ortstermin zur Klärung der
Sachlage wird deutlich, dass der
beschwerdeführende Gesellschafter kurzfristige
Verbindlichkeiten nicht bedienen kann. Im Rahmen
eines Mediationsverfahrens wird eine Lösung zur
kurzfristigen Rückzahlung der Verbindlichkeiten
gefunden. Das Gutachten wird daraufhin nicht weiter
angezweifelt.
Familienmediation
Im privaten Bereich sind
"Scheidungsgutachten" oder Gutachten in
Erbschaftsfragen häufig der Anlass, um
einen Sachverständigen mit Mediationsausbildung
einzuschalten. Denn er kann von vornherein
Konflikte vermeiden oder entschärfen. Die
Grundsätze der Mediation kann ein geschulter
Sachverständiger schon bei der Bewertung der
Immobilie berücksichtigen. So sollte der
Sachverständigenvertrag zum Beispiel beide
Konfliktparteien als Auftraggeber für das Gutachten
und die Option für eine Mediation beinhalten
sowie die anteilige Vergütung regeln. Hierbei ist
darauf zu achten, dass bei der
Zusammenstellung der bewertungsrelevanten
Unterlagen stets ein Informationsgleichgewicht herrscht.
In der Praxis hat es sich beispielsweise bewährt,
dass grundsätzlich in allen E- Mails und anderen
wichtigen Dokumenten alle Parteien als Empfänger
genannt werden.
Sollten Fragen einer Partei nicht direkt zu klären
sein, empfiehlt sich ein gemeinsam durchgeführter
Ortstermin oder zumindest ein gemeinsames
Gespräch. Dabei lassen sich Rahmenbedingungen für das
Gutachten abstecken. In diesen ersten Gesprächen
kommt es oft vor, dass kleine - für den
Sachverständigen unwichtige - Aspekte von einer
Partei als überaus wichtig empfunden werden.
Den betreffenden Medianten ist es tatsächlich
ein Bedürfnis, dass zum Beispiel der Zierfischteich,
der Gartenspringbrunnen oder die Deckenpaneele in
rustikaler Eichenoptik im Gutachten benannt
werden.
Der sachverständige Mediator geht auf diese Punkte
im Gutachten ein - auch wenn sie für den Marktwert
keine Relevanz besitzen. So fühlen sich alle
Medianten ernst genommen und gleichermaßen
wichtig. Das Erstgespräch ist auch der Rahmen, um
grundsätzliche Daten zu überprüfen. Fälle aus der
Praxis zeigen, dass es bereits zu
Auseinandersetzungen bei der Festlegung des
Baujahres oder der Wohnfläche kommen kann. Nachdem
nun der sachverständige Mediator für
Informationsgleichgewicht gesorgt hat und alle
spezifischen Fragen im Gutachten berücksichtigt
hat, wird in einem Gespräch das Ergebnis der
Wertermittlung mit den Medianten erörtert.
Nicht selten sind hierbei nochmals Korrekturen
notwendig: Dann ist die Sauna im Keller plötzlich
doch nicht mehr so wertrelevant, der von den
Schwiegereltern finanzierte Carport wird aus
der Berechnung herausgenommen. Sicherlich
erfordert es die Geduld und das Können des
sachverständigen Mediators um immer flexibel und
neutral zu reagieren. Doch die Erfahrung zeigt: Die
Medianten honorieren diese Dienstleistung gern, da
sie ein teures und zeitaufwendiges Gerichtsverfahren
ersparen kann. Wenn die Bewertung erbracht wurde,
ist zu prüfen, ob die Mediation tatsächlich beendet
ist. Gerade im Bereich der Ehescheidungen
besteht in der Regel weiterer Klärungsbedarf zum
Beispiel im Hinblick auf Sorgerecht, Unterhalt und
Zugewinn. Ist in solchen Fällen eine Fortsetzung
der Mediation gewünscht, schließt sich ein klassisches
Mediationsverfahren an.
Bau- und Werkvertragsmanagement
Auch in der Baubranche stehen Konflikte leider
häufig an der Tagesordnung. Der "Häuslebauer"
unterzeichnet seinen Werkvertrag mit der Absicht,
innerhalb weniger Wochen ein qualitativ
hochwertiges Haus zu einem Schnäppchenpreis zu
erhalten. Wenn es dann zu Konflikten
kommt, verschieben die Auftragnehmer häufig die
Verantwortung auf Dritte oder suchen Fehler in
der Leistungsbeschreibung. Hier kann der
sachverständige Mediator bereits vor
Vertragsabschluss, während der Bauphase oder
danach beratend tätig werden und mit seiner Arbeit
Konflikte lösen oder gar vermeiden. Quellenangabe
„Patrik Beier – Fachbeitrag in der „immobilien &
bewerten“ – Sprengnetter Immobilienbewertung Bad
Neuenahr-Ahrweiler“